Lieber Stefan,
hat ein bisschen gedauert bis ich dir auf den Film antworte. Um mir zu etwas eine Anschauung zu bilden, brauche ich immer Zeit und es ist ja ein langer Film und meine freien Zeiten für diese Arbeit muss ich mir schaffen.
Wie findest du denn den Film, was hat dich besonders angesprochen?
Obwohl ich hinter vielen Gedanken, die darin ausgesprochen sind, stehen kann und ich hervorragend die Bilder von James Tissot finde, der sehr viele Szenen aus dem Leben des Christus dargestellt hat, stoße ich dennoch wieder auf eine Schwierigkeit. Es ist die, über die wir uns schon austauschten. Ich halte es immer für wertvoll, den Autor und Urheber eines bestimmten Gedankengutes zu kennen und zu nennen. Im Film kommt ab Minute 26.20 einmal ganz urplötzlich die Aussage “Nun ist offensichtlich diese angekündigte Zeit gekommen… und es kommt der Hinweis aus ein Buch “Die großen kosmischen Lehren des Jesus von Nazareth”, Untertitel “Die ewige Wahrheit des Christus Gottes durch Gabriele”.
Deshalb gehe ich davon aus, dass dies ein Film ist, der vom Gedankengut oder den Eingaben von Gabriele Wittek, Begründerin des Universellen Lebens, abstammt. Es ist später auch von einem Theologen, der aus der Kirche ausgetreten ist, die Rede und der z. B. die These vertritt, Christus hätte nicht sterben müssen.
Das sind natürlich hohe theologische und philosophische Themen.
Ich habe mir hier im Forum die Aufgabe gestellt, auch die Unterscheidungskraft in dem überaus großen Angebot der Esoterik anzuregen. Dazu ist meines Erachtens nötig, die Urheber bestimmter Philosophien und Denkanschauungen zu kennen oder sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Dann kann man darüber diskutieren, ansonsten werden sie so still untergeschoben. Weißt du, was ich meine?
Das Universelle Leben wurde von der Kirche stark angegriffen und als Sekte verschrien. Es gab oder gibt auch biologische Initiativen des Universellen Lebens, die sehr gute Lebensmittel auf Märkten verkauften. Dass jemand oder eine Bewegung als Sekte deklariert wird, ist für mich eher ein Zeichen, dass es sich womöglich um einen Impuls handelt, der von Wert ist. Die Kirche zeigt sich in ihrer ganzen Armut, wenn sie Andersdenkende so verfolgen muss.
Ich bin dennoch bei Durchgaben, medialen Fähigkeiten und Channeling vorsichtig. Persönlich halte ich eine Weg, in dem ich mein Bewusstsein schule, mein Denken, Fühlen und Wollen, zielführender als einen Weg, in dem das Bewusstsein herabgedämpft wird und durchlässig für mediale Botschaften. Aber ich muss zugeben, dass ich mich nicht intensiv mit Gabriele Wittek und dem Universellen Leben beschäftigt habe.
Und den Priester, der die These vertritt, Christus hätte nicht sterben müssen, wollen oder sollen, würde ich auch gern mit Namen kennen. Dann könnte man mit ihm darüber reden.
Durch den Film ziehen sich originalgetreue Zitate aus den Evangelien und aus apokryphen Evangelien. Das finde ich wertvoll.
Gleichzeitig kommen immer wieder Hinweise, dass diese Welt eine eher dunkler Ort ist, wo allerhand Machenschaften geschehen und die eigentliche Heimat des Menschen woanders ist.
Es gibt auch andere spirituelle Impulse, die das anders darstellen. Z.B. die Anthroposophie Rudolf Steiners oder der Geistschulungsweg von Heinz Grill. Mit diesen beiden Richtungen beschäftige ich mich ausführlich, auch mit einigen östlichen Lehrern wie Sri Aurobindo, Sivananda, Sai Baba und von Kind an haben mich die Heiligen fasziniert, insbesondere Franziskus von Assisi. Auch Freiheits- und Friedenskämpfer auf der ganzen Welt erregen mein tiefstes Interesse.
Westliche spirituelle Schulen wie oben genannte beschreiben das Mysterium von Golgotha in einem anderen Sinne. Bei Rudolf Steiner wurde es mir zum erstenmal klar, mit dem Tod des Christus wurde die gesamte Erde von dieser göttlichen Liebe durchdrungen. Heute können wir uns der Erde forschend, künstlerisch, arbeitend hinwenden und wenden uns damit nicht vom Göttlichen ab, sondern ihm zu. Es ist anders als in der vorchristlichen Zeit, als die Menschen, gerade im Osten – keinen anderen Weg auf ihrer Gottsuche hatten, als die eigentliche Heimat im Kosmos und am Sternenhimmel zu sehen und sich dahin zu sehnen. Für die damalige Zeit war das ein stimmiger Weg.
Sri Aurobindo – kennst du seine Person oder sein Werk? – schrieb in einem seiner Bücher einmal, dass die Menschheit schlichtweg noch nicht reif ist, eine solche Reinheit und Liebeskraft zu ertragen, wie sie in Christus lebte, und deshalb ihn töten musste. Das ist ein Phänomen, das sich bis zum heutigen Tag wiederholt. Menschen, die tatsächlich viel für die Menschheit tun, Journalisten, die Wahrheit berichten wollen, Richter, die sich in der Coronazeit für das Wohl der Kinder einsetzten, ebenso wie ernsthafte spirituelle Lehrer und Forscher werden mit Rufmord oder schlimmerem ausgegrenzt.
So, jetzt habe ich aber genug geschrieben. Wie gesagt, der Film ist lang. Weil du meine Meinung zum Film wissen wolltest, ich habe mich bemüht, sie dir so differenziert wie möglich darzustellen. Persönlich würde ich den Film jetzt nicht einem Menschen empfehlen, der mich um einen guten Christusfilm bittet oder persönlich auf der Suche ist. Ich bin vielleicht etwas streng, aber ich kann in diesem Film nicht unterscheiden, welche Gedanken von wem kommen. Da halte ich es dann für sinnvoller und klarer, sich z. B. mit einem Gemälde von James Tissot und der entsprechenden Evangelienstelle zu beschäftigen.
Dennoch vielen Dank für deine Anregungen, es können manche Leser ja vielleicht zu einem anderen Schluss kommen.
Ich sende dir noch einen weiteren, alten Film über das Leben des Christus. Hast du ihn mal gesehen? Er ist in schwarz-weiss, von Pasolini, er hat darin nur mit Laienschauspielern gearbeitet und Originatzitate aus dem Matthäus-Evangelium verwendet. Dieser hatte mich sehr angesprochen. Wenn du mal Zeit hast, kannst du mir gern rückmelden, wie du ihn findest.
Das 1. Evangelium Matthäus – Pier Paolo Pasolini 1964
Es ist ein alter Film, aber ich finde ihn eindrücklich und sehenswert.
herzliche Grüsse dir
Maria
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Maria geändert.
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