Liebe Maria,
wie können wir überhaupt etwas objektiv beurteilen?
Wir wissen doch so wenig über den Anderen, wir kennen weder seine Gedanken, noch seine Intention oder seine Ziele…
Wir wissen auch nicht, was “gut” für ihn ist, das wissen wir ja schon nicht für uns, denn wir kennen unseren Weg ja nicht, der da noch vor uns liegt…
Da gibt es doch auch so eine schöne Geschichte mit dem Vater und dem Sohn, der sich erst den Fuß bricht, glaube ich, und die Leute sagen, oh, was für ein Pech, jetzt fällt er dir wochenlang aus…dann werden plötzlich alle jungen Männer einberufen, da Krieg ist, und die Leute sagen zu ihm, was für ein Glück du hast, du darfst deinen Sohn bei dir behalten…etc.
H.Hesse schrieb mal sinngemäß in einer seiner wundervollen Bücher:
Wir sind nicht hier um die Dinge zu beurteilen, sondern sie zu betrachten, sie wahrzunehmen und sie auf uns wirken zu lassen…
Oder sinngemäß ein Satz, bei dem ich leider nicht mehr weiß, wo ich ihn gelesen habe:
Im Grunde bedarf es gar keiner weltlichen Gesetzgebung, denn das LEBEN sorgt früher oder später immer für einen Ausgleich (Saat und Ernte) – die Regeln und Gesetze zeugen nur von der Ungeduld und dem mangelnden Vertrauen in die Lebensgesetze…
Und ausserdem – woher wissen wir, ob wir nicht selber Taten in anderen Leben verübt haben, die wir nun erdulden müssen, wo wir aufschreien, hey, das ist aber ungerecht!
Die Natur lehrt mir das Gesetz von Saat und Ernte…wobei es in meinen Augen auch eine Gnade gibt, nämlich die, dass uns da ein zeitlicher Raum gegeben wird, um Entscheidungen und Taten möglicherweise zu revidieren, bevor sie nicht mehr umkehrbar sind.
Klar, wenn ich tief in meinem Inneren spüre, hey, da stimmt was nicht, dann besteht Handlungsbedarf, keine Frage.
Aber ansonsten frage ich mich möglichst – wieso geschieht mir das? – wo handle ich in ähnlicher Weise und merke es nicht oder verschleiere es vor mir selber und anderen?
Alles ist Spiegel in der Welt, wir werden mit dem konfrontiert, was in uns abläuft – dies sollte uns immer bewusst sein, bevor wir nach aussen zeigen, auf andere.
Herr Betz nennt diese die sog. “Arsch-Engel”, jene, welche uns unsere größten Schwächen spiegeln und die wir manchmal an die Wand klatschen könnten.
Es sind unsere besten Lehrer – ob wir sie und die Aufgabe dahinter annehmen, ist uns überlassen.
Wenn nicht sind wir im ständigen Kampf mit der Umwelt…und innerlich natürlich ebenso.
Ja, ob Gott oder nicht Gott, das ist im Grunde gleich, wie wir es benennen, der Geist des Lebens ist ja sowieso überall – ich bezog mich da expliziet auf diese Bibelstelle, die so für mich überhaupt keinen Sinn ergibt.
Lichte Grüße
Stefan