Lieber Stefan, liebe Leser,
zu dem letzten Gedanken, den du über einen Zen Meister äußerst, fällt mir folgendes ein: Ja, es gibt Menschen, die in ihrer gesamten Haltung so authentisch sind, dass sie ihre Lebenserfahrung, ihre Fachkenntnis, ihre Menschenliebe auch ohne Worte ausstrahlen. Eine solche Fähigkeit deutet darauf hin, dass dieser Mensch ein entwickeltes Herzchakra besitzt. Um ein Beispiel zu nennen: Ich kenne einen biodynamischen Landwirt, der nicht viele Worte macht, bei dem man aber sofort spürt, dass er tiefe Fachkenntnis hat und auch um seelisch-geistige Zusammenhänge im Pflanzenwachstum und im Zusammenwirken von Erde, Mensch und Kosmos weiß. Wenn er dann spricht, so hat das immer Kraft und kommt beim Gegenüber an. Er kann das Wesen und die Heilkraft der Brennnessel beispielsweise aus eigener jahrzehntelanger Erfahrung beschreiben. Es ist vielleicht ein Aspekt des Zen, dass da nicht so viel gesprochen wird. Ich finde aber, dass wenn Worte in so erfahrener Weise gesprochen werden, wenn ein Mensch weiß, wovon er spricht und die passenden Worte dazu findet – und wenn er nicht nur spricht, weil er sich gern reden hört – dass sie dann einen unmittelbar aufbauenden Effekt haben. Der richtige Umgang mit Worten und Sprache ist in meinen Augen ein enormer Friedensbeitrag.
Was mir, wenn ich mir Videos von Medien und einigen aktuellen Personen, die sich für erleuchtet halten, ansehe, dann bin ich oft betroffen, wie unbedarft und wenig hinterfragt da mit Worten, Versprechungen, Prophezeiungen etc. umgegangen wird. Ich höre in solchen Kommentaren aber nie Begriffe wie Verantwortung, Übung, Pflichtgefühl, Ausdauer, Lernen, Arbeit, Selbsterziehung, gesunde Selbstkritik, Hinübergehen zum anderen und Empathie, also alles, was den Menschen ja nicht runterdrückt, sondern in eine Aktivität führt, die ihm letztlich als seelische und erfüllende Kraft engegenkommt. Das Wort „Opfer“, was ein wunderschönes und tiefes Wort ist und ohne das es kein Leben und keine Entwicklung geben würde, das darf man heute ja fast nicht mehr in den Mund nehmen. Im nur Ausruhen und Hoffen, dass der Kosmos oder ein Prophet oder ein Medium die Erlösung schon bereit hat und wir ganz “frei” werden, liegt in meinen Augen eine hoffnungslose Illusion. Ich finde es wichtig, dass wir Menschen uns nicht Druck machen und unsere Entwicklung in unserem Rhythmus selbst bestimmen, aber was ich da in manchen Beiträgen höre und sehe, das macht meines Erachtens suchende Menschen noch kränker, abhängiger und hoffnungsloser. Es ist wie das Warten und Hoffen auf eine Erlösung von irgendwoher. Ich glaube, hier drücke ich mich mal ein bisschen hart aus, eine Generation vor uns hätte mit dem allen nichts anfangen können oder womöglich sogar gesagt, sind die denn verrückt?
Was ich in dem Zusammenhang etwas harsch kritisiere, ist dieser naive, nicht selbst errungene und erfahrene Umgang mit Begriffen, die dir die Leute auch nicht erklären können. Es wird mit Worten um sich geworfen, die aber keinen Gehalt haben oder nur verwirren. In einem Beitrag auf dieser Seite habe ich einmal eine Übung vorgestellt, wie man sich dem tieferen Gehalt von Worten annähern kann. https://spiritualitaet-im-dialog.org/in-die-tiefe-der-worte-gehen/
Das schreibe ich jetzt allgemein, weil ich es als Zeitphänomen beobachte und beziehe es keineswegs auf deine Beiträge, die ich immer durchdacht und weiterführend empfinde, auch immer an dem Gedanken des anderen ansetzend, was an sich schon eine Kunst ist und woran ich selbst lerne.
Also, ein bewusster, aktiver Umgang mit Sprache kann in meinen Augen den „Ruß“, der der Sprache anhaftet, in eine helle warme Flamme verwandeln. Und das bedeutet auch Arbeit an sich und seinem Umgang mit Worten, Arbeit, die ich persönlich als bereichernd und erfüllend empfinde, weil Verständigung und Kommunikation dadurch konkreter und freier von Missverständnissen wird und Menschen besser zusammenbringt.
Mit Dank für deine vielen Anregungen, herzlicher Gruß
Maria