#6756
Maria
Administrator

    Lieber Stefan, liebe Leser,

    schon wieder viele gute Impulse, die ich weiterdenken kann. Gern greife ich einmal den Gedanken zum “glauben” heraus. Da schreibst du bezüglich der Glaubenskriege oder Religionskriege. Ist ja wirklich verdreht, dass es wegen des Glaubens zu Kriegen kommt. Mir scheint, dann stimmt noch etwas nicht oder es lebt in dem Glauben ein Wahrheitsanspruch. Du weist auf Krishnamurti hin, der gefolgert hätte, am besten würden wir an gar keine Lehre glauben, da dadurch immer Unfrieden entstehe. Und du frägst dich, geht das denn, an gar nichts glauben?

    Ich habe die Erfahrung gemacht, es gibt Menschen (z.B. ganz und gar üblich in Frankreich), die mit einem gewissen Stolz behaupten: Ich glaube nichts. Wenn jedoch eine persönliche Krise kommt, vor der ja keiner von uns gefeit ist, dann zeigt sich, ob ein Durchhaltevermögen im Menschen vorhanden ist und er trotz Depression beispielsweise, sich weiter durchs Leben kämpft in der Gewissheit, dass dieser Zustand auch einmal wieder aufhört. Eine französische Krankenschwester sagte mir einmal, die zweithäufigste Todesursache in Frankreich sei der Suizid, man spreche halt nicht darüber. Und das finde ich schon bestürzend. In einem ganz einfachen Sinne würde ich eine Glaubenskraft darin sehen, dass man überzeugt davon ist, weiterleben zu können und wieder zu Perspektiven zu finden.

    Auch ist es hilfreich, das “glauben” in allen seinen Facetten zu betrachten. Ich kann etwas glauben, weil ich es nicht sicher weiß. Ich kann an Gott glauben, weil ich einen Halt im Leben suche. Und dann gibt es noch einen Glauben, der über das alles hinausgeht, so wie ich es verstehe. Ich bezeichne es einmal mit dem Glauben an die Schöpferkraft des Menschen. Wenn ich glaube, dass ich mein Leben gestalten kann und nicht sehnsüchtig hoffend auf einen Wink des Schicksals oder eines Gottes warte, wenn ich die unerschütterliche Gewissheit in mir trage, dass ich meine schöpferischen und damit auch göttlichen Kräfte entfalten kann und meine Ziele und Ideale verfolgen und umsetzen kann, dann sehe ich das als Glauben. Trotz Misserfolgen und Rückschlägen – Sivananda prägte den wertvollen Ausspruch: “Jeder Misserfolg ist ein Erfolg.” Also Glauben als ein Urvertrauen in das schöpferische Potential des Menschen. Ich finde, wenn ein Mensch glaubt, dann bedeutet das, jetzt geht die Arbeit richtig los, jetzt mache ich mich daran, dieses oder jenes Lebensziel zu erreichen. Im Gegensatz dazu steht meines Erachtens der passive Glaube, ein Bittgebet, ein Gebet für den Frieden, das aber mich in meiner ganzen Persönlichkeit noch nicht so viel angeht und durch und durch bewegt. Ich hoffe, mich verständlich auszudrücken.

    Durch und durch bewegt von seinen Gedanken, seinem Freiheitsstreben und Brüderlichkeitsfühlen empfinde ich Friedrich Schiller, hier in seinem Gedicht “Die Worte des Glaubens”. Seine Worte wirken unmittelbar inspirierend auf mich.

    https://www.deutschelyrik.de/die-worte-des-glaubens.html

    Ich denke, es gibt viel zu tun.

    Mit herzlichem Gruß

    Maria