Ernährung und Beziehung

Begegnungen mit Menschen, Küchen und ökologischen Projekten in Verona

von | Dez. 30, 2025 | Artikel, Ernährung und Beziehung, Frieden | 0 Kommentare

Ernährung und Beziehung

 

Begegnungen mit Menschen, Küchen und ökologischen Projekten in Verona

Die Beziehungsebene in der Ernährung ist vielseitig. Beim Essen treten wir mit der Speise in Beziehung, darüber hinaus auch mit den Kräften, die der Koch in die Zubereitung gelegt hat. Wenn wir gärtnerisch tätig sind, so können wir das Säen, Wachsen und Reifen der Feldfrüchte bis zur Ernte beobachten. Sehr interessant ist die Beziehungsaufnahme auch zu anderen Köchen und Produzenten und ihrer Zubereitungskunst.

Von diesem Anliegen geleitet unternahmen wir im Dezember zu Viert einen Ausflug nach Verona und in das Veroneser Umland, um eben solche Begegnungen aufzusuchen. Hier einige Eindrücke:

Die „Antico Molino Rosso“

befindet sich in dem Ort Buttapietra südlich von Verona. Die alte Mühle liegt in einem Industriegebiet und fällt neben dem benachbarten Fabrikgebäude durch eine ästhetische Architektur und Farbgebung ins Auge. Eingebettet ist sie in eine parkähnliche Anlage, dem Antico Giardino, und von einigen Feldern umgeben.

Der Besitzer und Betreiber dieser Mühle, die seit 1935 besteht und seit 30 Jahren ganz auf Anbau und Verarbeitung von biologischem Getreide umgestellt hat, ist Gaetano Mirandola. Biologischer Anbau ist für ihn eine Bewusstseinshaltung.

Bei unserem unangekündigten Spontanbesuch hatten wir das Glück ihn kurz anzutreffen. Er bietet uns an, uns bei einem nächsten Besuch das ganze Gelände zu zeigen und über die Geschichte der Mühle zu berichten. Wir erfahren schon jetzt, dass es ein Familienbetrieb ist, der ganz Italien mit biologischem Mehl und Getreide beliefert. Neben der reinen Produktion und Verarbeitung gibt es in diesem Betrieb auch didaktische Angebote und einen eigenen Rezeptforschungsbereich. Herr Mirandola ist ein dynamischer, kommunikativer Mann, der seine Idee und Überzeugung lebt. Einige Produkte aus dem Mühlenladen, insbesondere ein Roggensauerteigbrot, nehmen wir mit, nachdem wir auch ein paar Worte mit dem dort tätigen Bäcker und der freundlichen Verkäuferin wechseln konnten.

Bevor wir am nächsten Morgen frühstücken, betrachten und erforschen wir die verschiedenen Brote, eines haben wir selbst gebacken und mitgebracht, inwiefern ein guter Wärmeäther in ihnen angelegt ist. Diesen kann man erforschen, wenn man z. B. die Kruste und auch den weichen Innenteil des Brotes betrachtet und sich die Frage stellt, ob beide eine harmonische Einheit bilden. Ausführlich wird das Brotzubereitung und das Wirken der Ätherkräfte im Brot hier dargestellt. Das Erforschen, wie Äther- oder Lebenskräfte in einem Nahrungsmittel angelegt sind und wie diese beim Kochen und Zubereiten noch weiter in einen Aufbau kommen und somit Nahrungsmittel ihre größtmögliche Heilwirkung und Verträglichkeit entfalten, ist ein Thema, das uns in unserer Forschungsküche ein zentrales Anliegen ist.

Mittagessen in einem Restaurant von NaturaSi in Verona

Es dauert, bis wir das System der Speisenzusammenstellung begriffen haben, beziehungsweise wir verstanden es erst, als wir unsere gewählten Zutaten schon auf dem Teller hatten. Dieses Restaurant bietet an, sich ein Essen nach Kohlehydraten, Proteinen und Gemüsebeilage zusammenzustellen. Beim Essen dachten wir darüber nach, warum das wohl so angeboten wird. Womöglich folgt dies einem Gesundheitstrend der Zeit, beispielsweise dem Trend, wenig Kohlehydrate zu essen und Gemüse und Proteine zu betonen, eventuell ist diese Vorgehensweise auch der Tatsache geschuldet, dass immer mehr Menschen unter Unverträglichkeiten leiden, sei es Gluten, Laktose oder anderes. Bei den Speisen fiel uns eine ausgewogene harmonische Würzung auf. Später erklärte uns der Koch, der sich sichtlich freute, mit vier Köchinnen in Austausch zu kommen, wie er die Kürbissuppe zubereitete, ganz den Eigengeschmack des Kürbisses zur Geltung bringen möchte, nur Rosmarin hinzugibt und gar kein Salz.

Zur Abwechslung eine Begegnung der anderen Art – die Sauna Bagni Turchi

Ein kalter Dezembertag, bis zur nächsten kulinarischen Begegnung noch einige Stunden Zeit, diese verbrachten wir in einem angenehmen türkischen Bad mit Sauna. Auch hier war die   Beziehungsaufnahme zum Personal sehr nett. Sie würde hier schon seit 20 Jahren „heiße Luft“ verkaufen, scherzte Enza, eine der Mitarbeiterinnen.

Wie ist es, mit der feuchtwarmen Luft des türkischen Dampfbades in Berührung zu kommen? Wie danach mit dem eiskalten Wasser des Tauchbeckens? Und schließlich mit der trockenen heißen Luft der Sauna? Das sind spannende Beobachtungen, die kleine oder größere Überwindungen erfordern.

Es ist anregend und entspannend zugleich, wenn man sich nicht nur passiv den verschiedenen Eindrücken von Wärme und Kälte hingibt, sondern sich bewusst mit diesen Elementen konfrontiert.

Veggie Soul – im Home Restaurant von Antonella und Emil zum Abendessen

Home Restaurants sind eine Möglichkeit, bei Privatleuten in deren Haus oder Wohnung zum Essen zu kommen und so Menschen, die gern kochen und Menschen, die gern in einem familiären Rahmen essen, zusammenzubringen. Gleichzeitig ist es für die Gastgeber die Möglichkeit, zu steuerlich erleichterten Bedingungen noch etwas hinzuzuverdienen. Antonella und Emil betreiben so ein Home Restaurant und es ist eine spannende Situation für beide Seiten. Wer wird für uns kochen, wer werden die Gäste sein?
Wir treffen auf die beiden, die gerade am Zubereiten unseres Menüs sind. Das italienisch-ägyptische
Paar hat sichtlich Freude am Kochen, Servieren und Austauschen. Rohkost, Kürbissuppe, Vollkornreis mit veganem selbst bereiteten Käse, Bohnenschnitzel mit Broccolo werden serviert.

Die Nachspeisen hatten wir nicht bestellt und bewusst weggelassen, aber …

Von Gang zu Gang wurde das Verhältnis zu unseren Gastgebern herzlicher und humorvoller. Dabei  erfuhren wir einiges über ihren Betrieb, in dem sie vegane Produkte herstellen.
Der Besuch zeigte uns, wie unkompliziert sich „fremde“ Menschen begegnen können und wie sie über das Essen ins Gespräch und in fachlichen Austausch finden. Dementsprechend herzlich für alle war dann auch der Abschied.

Der Besuch eines Marktes in Verona, den wir vor einiger Zeit schon aufgesucht hatten, inspirierte uns, dort einmal im Frühjahr oder Sommer nach Absprache mit der Organisatorin des Marktes „Campagna Amica“, einige Schautafeln zum Thema Ernährung und Ökologie aufzustellen und so einen unkomplizierten Rahmen für inhaltliche Begegnung und Austausch zu schaffen.

Schließlich sollte auch Zeit für einen Alleingang sein, um erste Eindrücke von der Stadt zu gewinnen. In der Region der
Arena ist trotz der kalten Jahreszeit touristisch viel los, eine lange Schlange steht vor dem Eingang zu dem imposanten
Bauwerk. Und noch mehr Menschenmassen fluten auf dem Weihnachtsmarkt, der ebenfalls in der Nähe der Arena liegt.

Im Gegensatz dazu die Stille und Weite des „Cimitero Monumentale di Verona“. Auffallend sind die vielen identischen schlichten Gräber und die gesamte Architektur. Er wurde ab 1828 auf Basis des neoklassischen Entwurfs des Architekten und Ingenieurs Guiseppe Barbieri errichtet.

„Ihr dürren Gebeine, hört das Wort des Herrn.“

Der Besuch eines traditionellen und schön gelegenen Restaurants auf einem Hügel oberhalb Veronas und das Gespräch mit der Betreiberin, die wir auf dem Markt in Verona kennenlernten, offenbart uns auch die Sorgen vieler Gaststättenbesitzer. Die Schwierigkeit, Personal zu finden, das bereit ist, das Arbeitspensum zu erfüllen und das einmal angelernt, oft vorzeitig die Arbeitsstelle wieder verlässt. Diese Sorge ist nur allzu bekannt im Land und uns stellt sich die Frage, was wohl für die Zukunft ansteht. Wie kann eine Perspektive entstehen, die die Restaurantkultur wieder in eine Entwicklung bringt, die Menschen, die dort arbeiten, nicht in die Erschöpfung treibt und gute, gesunde und erschwingliche Speisen für ihre Gäste anbieten kann?

Mit einem Abstecher zum Agriturismo „Tirtha“, der nahe des Flusses Etsch (Adige) gelegen ist beenden wir unsere Exkursion. Den Ideengeber und Gründer dieses Kulturhauses, Giampietro, treffen wir zwar nicht an, dafür zwei freundliche Menschen, die uns Auskunft über das Haus und seine Ideen geben. Giampietro hat diesem Projekt den Sanskritnamen „Tirtha“ gegeben, was „Furt“ oder „Übergang“ heißt und im Hinduismus einen heiligen Ort, der eng mit Wasser verbunden ist, bezeichnet. Er selbst sei studierter Indologe und biete hier einen Ort für Seminare,
Vorträge, Kulturprojekte und zum Übernachten an.

Hier Giampietro, wie er in einem Video seine Philosophie erklärt: https://www.agriturismotirtha.it/#chi-siamo

Bruno, den wir in den zugehörigen Gärten antreffen und dem man seine 88 Jahre nicht ansieht, erklärt uns, dass dies ein „orto terapeutico“sei, man könne eine Parzelle pachten, auch würde hier mit behinderten Menschen gearbeitet. Er selbst schreibt Gedichte und gärtnert und erzählt uns, wie heilfroh er sei, nach einem langen Berufsleben nun
endlich das tun zu können, was ihm wirklich gefällt. Auch Maurizia, die die Gärten und die Arbeit mit den Behinderten betreut, große Lesekreise veranstaltet und einen eigenen Verlag in Florenz betreibt, kommt mit uns ins Gespräch.

Die vielen Begegnungen und Gespräche waren gegenseitig sehr bereichernd und wir treten den Heimweg mit dem klaren Ziel an, wiederzukommen oder uns an unseren Wirkungsstätten zu besuchen. Es war tatsächlich ein für alle seelisch belebender Ausflug, in dem die Ernährung mit ihren vielfältigen Themenbereichen sehr schöne neue Beziehungen eröffnet hat.

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