
„Wer ein Gesicht, einen Freund, eine gemeinsame Erinnerung aus dem anderen Land kennt, schießt nicht“
Ein ungemein mutmachender Artikel von Leo Ensel, Konfliktforscher und interkultureller Trainer mit Schwerpunkt „Postsowjetischer Raum und Mittel-/Ost-Europa“, der in den Nachdenkseiten erschienen ist. Er stellt dar, wie junge Leute mit der Kraft der Musik Feindbilder überwinden.
Da ich selbst Frankreich gut kenne und als Beruf Übersetzerin für Französisch lernte, ist mir die Beschreibung des Autors deutlich vor Augen. Es war eine denkwürdige Stunde, in der Charles de Gaulle und Konrad Adenauer beschlossen, dass Schluss sein soll mit den erbitterten Kriegen zwischen Frankreich und Deutschland. Mein erster längerer Auslandsaufenthalt als Jugendliche führte mich in eine französische Familie, eine Erfahrung, die entschieden Einfluss auf meine spätere Berufswahl hatte. Und auch die freundschaftlichen Bande zu jener Familie sind nie versiegt.
Ein Besuch von Russland, insbesondere Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad, im Jahr 2018 berührte mich ebenfalls tief. Ich erfuhr auch nicht nur einen Hauch von Ablehnung oder sogar Hass auf Deutsche. Mein gelebte Erfahrung ist, dass Russen und Deutsche, was Kultur, Denkvermögen, Philosophie betrifft, sich sogar sehr nahe sind. Ein weites Herz und Großzügigkeit, gleichzeitig eine natürliche Bescheidenheit, das ist mir in Erinnerung an die Begegnungen, die ich damals hatte, geblieben.
Leo Ensel schreibt am Ende seines Artikels:
„Vielleicht werden ihre Konzerte keine Rüstungspläne stoppen. Vielleicht aber sind diese Begegnungen jenes unscheinbare Samenkorn, aus dem einst auch die deutsch-französische Freundschaft erwuchs. Der Weg von den Schlachtfeldern zu Partnerschaften begann damals ebenso leise – mit einer Pädagogin, die an Versöhnung glaubte. Heute sind es Jugendliche mit Instrumenten in der Hand.
Sie werden so selbst zur lebendigen Antwort auf die eingangs gestellten Fragen: Vertrauen ist nachhaltiger. Vertrauen ist kostengünstiger. Vertrauen ist umweltfreundlicher. Und Vertrauen ist, ohne Zweifel, die zivilisiertere Form von Sicherheit.“
0 Kommentare