Beruf und Arbeit

Putzfrauen – unsere Lichtbringer?

von | Aug. 9, 2024 | Artikel, Beruf und Arbeit | 1 Kommentar

Angeregt haben mich zu den Überlegungen zum Putzen mehrere Personen – eine Lehrerin aus Jugendzeiten, die folgenden Ausspruch tat: „Korrigieren ist die Tätigkeit, die ich am allerwenigsten mag. Da putze ich noch lieber.“

Dann eine sehr interessante Frau, Linda Thomas, die im Putzen eine sinnerfüllende und wertvolle Tätigkeit sieht und ihren Beruf daraus gemacht hat. Sie sieht im Reinigen eine pflegende Tätigkeit, die Materie und Mensch erhält, verbindet und erhebt. Ihre Freude am Vermitteln ihrer lebensnahen Philosophie zum Putzen ist ansteckend. https://lindathomas.org

Und schließlich die freundlichen Frauen aus Rumänien, die ich Abend
für Abend in einer Schule sehe und die alle Räumlichkeiten wieder in
einen geordneten, sauberen und wohlriechenden Zustand versetzen.

Ernsthaft: Wie würde es in unserer Gesellschaft aussehen, gäbe es nicht Menschen, die putzen, die ordnen, die reinigen, wischen, saugen, kehren, den Müll wegfahren? Jedes Krankenhaus, Altenheim, jedes Büro, jedes Rathaus, jedes Gasthaus, jedes Schwimmbad, jede Privatwohnung wäre unbetretbar und unbenutzbar und würde den jeweiligen Daseinszweck verlieren. Aus diesem Grund ist es nur natürlich, ein paar Gedanken zum Reinigen anzustellen.

Etymologisch kommt das Wort „putzen“ von „Butzen“ – wir kennen den Apfelbutzen. Auch die Butzenscheiben, kleine, runde in Blei gefasste Glasscheiben mit einem Buckel in der Mitte, dem „Butzen“, ist manchen noch bekannt.

Sie fanden vor allem vom 14. bis 16. Jahrhundert als Fensterscheiben in einfachen Bürgerhäusern Verwendung.

Butzen wiederum ist verwandt zum Begriff „Batzen“, im weit gefassten Sinn heißt „putzen“ von Batzen jedweder Art befreien.

Ein Raum, der von Schmutz befreit ist, der geordnet ist, wo alles an seinem Platz ist, wirkt in der Regel auf unser Gemüt erhellend. Man betritt ihn gern. Das Thema des Putzens hat durchaus den Gehalt, dass es in anspruchsvollen Filmen eine Würdigung erfährt. Ein Beispiel dafür ist der jüngst erschienene Film von Wim Wenders „Perfect days“, eine Geschichte um einen Toilettenreiniger aus Tokio, der seiner Aufgabe gewissenhaft und mit Ehrgefühl nachkommt.

Auf einem indischen Bahnhof, der blitzblank war, fiel mir eine solche Haltung auch einmal auf. Wie eine Königin ging die Putzfrau in ihrem Sari durch die Bahnhofshalle und sorgte für durchgehende Sauberkeit. Und noch weitere Beobachtungen, die ein Indienreisender machen kann: Für einen Europäer sind die bunten Eindrücke eines Durcheinanders von Menschen, Autos, Rädern und Tieren auf den Straßen, das Hupen und Klingeln und auch leider Müll auf den Straßen ein ungewohntes Erlebnis. Fährt man mit Bus oder Zug in die Nähe eines Ashrams, einem Ort oder einer Gemeinschaft, die die Wirkungsstätte eines spirituellen Lehrers ist, desto sauberer erglänzt die ganze Umgebung. Eindrücklich habe ich das in Puttaparthi, dem Ashram von Sathya Sai Baba (1926 – 2011) erfahren und auch im Shantivanam Ashram in Tamil Nadu, Südindien, der von dem ehemaligen Benediktinerabt Bede Griffiths (1906 – 1993) zu neuem Leben mit fundiertem interreligiösen Austausch erweckt wurde.

Das Krankenhaus von Puttaparthi

Eingang zum Ashram von Sai Baba

Hier einige Fotos aus dem Shantivanam Ashram, der durch Bede Griffiths eine tief christliche Ausrichtung erhielt, und in der alle Weltreligionen ihre Würdigung erhielten. Ein Buch von Bede Griffiths trägt den Titel „Unteilbarer Geist.“

Die Bibliothek des Shantivanam Ashram

Schlichte und harmonische Gebäude des Ashram

Es ist die Ästhetik, Ruhe und Ordnung, die an solchen Orten, alle Bewohner und Besucher erfreuen und befrieden. Diese Ordnung wird durch viele fleißige Hände Tag für Tag hergestellt.

Auch von Goethe, dessen Arbeitsräume heute in Weimar besucht werden können, ist bekannt, dass er Ordnung um sich herum schuf und wahrte, um sich seiner sehr fruchtbaren Tätigkeit des Denkens widmen zu können.

In einer Depression, das haben möglicherweise einige von uns schon festgestellt, schwindet meist die Lust am Putzen. Bemüht man sich trotzdem darum, ist das schon wieder ein kleiner Schritt ins Leben. Saubermachen und aufräumen hat eine ordnende und erhellende Wirkung.

Nun möchte ich einen spirituellen Gedanken zum Putzen hereinführen. Heinz Grill, spiritueller Lehrer und Autor, hat ihn in einer Broschüre mit dem Titel „Materielle Werteempfindung und moralische Vollkommenheit in der Seele“ dargestellt.

Er schreibt unter anderem:

…. „Was ist ein Werteempfinden beispielsweise in der irdischen Welt? In der irdischen Welt würden wir so etwas, um dieses einfache Bild herauszustellen, eine Arbeit des Putzens, des Säuberns als niedrig einstufen. Der Begriff Putzfrau klingt nicht gerade in der Gesellschaft sehr hoch gestellt. Wenn jemand heute in einem Papierbogen seinen Beruf eintragen muss und er muss hineinschreiben, er ist Straßensäuberer oder die Frau schreibt Putzfrau, dann wird sie sicher nicht gerade ein rühmliches Gefühl dabei verspüren, dass dieser Beruf etwas gediegenes und ordentliches darstellt im Gegensatz zu demjenigen, der hineinschreibt Doktor der Chemie oder  anderweitiges. Ist es wirklich der Fall, dass alles, was mit Säuberung, Reinigungsarbeiten zu tun hat, wirklich erst einmal niedrigste Arbeit darstellt? So ist die persönliche Werteprägung im Irdischen….

„Blicken wir nun aber auf eine andere Welt. Blicken wir auf eine geistige Welt, so müssen wir feststellen, ähnlich wie das Sai Baba auch sagt, dass es da nur eine Einheit gibt, dass in dieser Welt plötzlich Wertkategorien nicht mehr an den Gesellschaftsstatuten gemessen werden können. Die Wertkategorie bekommt plötzlich den Ausdruck von dem, was der einzelne Mensch an Weisheit  und Liebe darin entwickelt hat. So kann es sein, dass eine niedrige Arbeit, mit Weisheit ausgeführt, zu einer edlen Gabe in der geistigen Welt führt. Nicht die irdische Ordnung ist ausschlaggebend für die geistige Welt, sondern dasjenige, was der Mensch bei sich in seine Berufung lernt hineinzulegen….“

Heinz Grill führt noch einen weiteren faszinierenden Gedanken zum Staub aus. Gerade die Beschäftigung mit dem Staub und dem Staubigen schenkt demjenigen, der mit der Reinigungstätigkeit befasst ist, eine leise Erinnerung, selbst, wenn sie nicht zu  Bewusstsein kommt, dass auch wir Menschen mit unserem Körper einmal zu dieser Materie werden. Das ist ein sehr ungewohnter Gedanke. Aber er ist dennoch nachvollziehbar, denn in jedem Beruf bin ich mit einer bestimmten Materie in Berührung. Als Floristin mit der Welt der Blumen und Blüten, als Chemiker mit chemischen Stoffen und Prozessen und als Reinigungskraft mit dem Staub, Schmutz und aber auch dem Licht und Glanz, welche durch die putzende Tätigkeit wieder zum Vorschein kommen.

Anhand dieser Gedanken kann eine Aufmerksamkeit für die Tatsache erwachen, dass jede Tätigkeit, sehen wir sie auf dieser Welt auch nur unter rein materiellen Gesichtspunkten, in der geistigen Welt eine viel größere Bedeutung hat. Mit Sinn und Inhalt erfüllt wird sie nicht nur zu einer Gabe und einem Geschenk für die irdische Welt, sondern auch für die seelische und geistige Welt. Spiritualität wird dann in den Alltag integrierbar und bleibt nicht eine ferne, in die kosmischen Weiten strebende und flüchtende Hoffnung. Diese Gedanken könnten auch eine Anregung sein, den eigenen Beruf oder das eigene Hobby mit neuen Augen zu betrachten und eine neue, sinngebende Beziehung zu ihm zu entwickeln.

Und das wünsche ich allen Putzfrauen und Reinigungskräften, dass ihr Wert von der Außenwelt viel mehr gesehen wird und sie selbst sich in diesem Wert ihres Berufes erfahren können. Ich würde tatsächlich sagen – sie sind unsere Lichtbringer im wahrsten Sinne des Wortes.

1 Kommentar

  1. Sigrun

    ..unsere Lichtbringer. Unsere Lichtbringer? Sind sie das oder könnten sie es sein? Fehlt uns dazu eine neue Sicht?
    Eins ist klar, da wo alles sauber und geordnet ist, klare Fensterscheiben, die in der Sonne blitzen, ein blitzblanker Fußboden, ja, klar, da ist es freundlich, hell und einladend.
    Maria, du hast den Bogen schon weit gespannt, viele verschiedene Eindrücke und Erfahrungen beschrieben, Ländergrenzen überschritten. Da kamen auch bei mir Bilder und Situationen hoch, die mir im Gedächtnis geblieben sind…
    Schon in der Einleitung hast du zwei Einstellungen erwähnt, ganz unterschiedliche. Erstere zeigt, dass das Putzen auch eine Art “Flucht” sein kann. Selbst bei mir erinnere ich mich, dass ich eine schwierige oder ungeliebte Aufgabe bisweilen vor mir her schob und erst geputzt und geräumt habe, bis es keine andere Möglichkeit mehr gab und ich mich dann endlich der Pflicht gestellt habe. Das hohe Ideal im zweiten Beispiel verwandelt selbst eine gesellschaftlich wenig geachtete Tätigkeit in eine “Geadelte”.
    Es hat ja in unserer Gesellschaft einen Wandel gegeben, so dass viele Tätigkeiten nur noch von spezialisierten Berufsgruppen ausgeführt werden. So erinnere ich mich an die ersten Jahre meiner Ausbildung im Krankenhaus, wo es noch kein separates Reinigungspersonal gab. Die Putzarbeiten waren Teil der Ausbildungsjahre, wo sie nicht direkt bewertet wurden, aber doch einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Persönlichkeit der Auszubildenden leisteten. Gleichzeitig waren Patienten und der Klinikalltag darin integriert. Die Verantwortung für die Sauberkeit im eigenen Arbeitsbereich förderte das Bewusstsein, mit offenen Augen durch den Arbeitstag zu gehen. Ebenso gehörte es in den ersten Jahren zum Berufsalltag der OP-Schwestern, nach der Beendigung des OP-Programmes die Reinigung der OP-Säle vorzunehmen. Mit Berücksichtigung aller notwendigen hygienischen Besonderheiten. 
    Und wie sieht das heute in den Krankenhäusern aus? Firmen mit speziell eingewiesenem Personal übernehmen die Reinigungsarbeiten. Ebenso in den Patientenzimmern. Ich war in den letzten Jahren doch öfters stationär zur Behandlung, sei es im Krankenhaus oder in der Uniklinik, ähnliche Beobachtungen konnte ich in verschiedenen Pflegeheimen machen. Die Zeit zur Reinigung ist äußerst knapp bemessen. Ecken und Nischen kommen zu kurz. Zeit für ein Gespräch mit dem Patienten oder Bewohner gibt es nicht. So entsteht eine unpersönliche, beinahe kalte Atmosphäre. Und das liegt wohl nicht an den Frauen, die das machen, sondern an dem ganzen System der Organisation. Meine Schwester, die wirklich eine Lichtbringerin ist, ihr Haus ist liebevoll gepflegt und sie geht auch bei einer alten Dame saubermachen. Das macht sie mit Herz und es ist auch immer Zeit für ein Gespräch. Sie wollte vor einigen Jahren mal in einer Reinigungsfirma beginnen, gab aber schon nach ein paar Probetagen auf und sagte, dass sie in solch einem, nur auf Tempo und Konkurrenz organisierten Unternehmen, nicht arbeiten kann und möchte.
    Mir ist bewusst, dass ich nun noch ganz andere Aspekte in deine Überlegungen hineinbringe. 
    In meinen Schweizer Berufsjahren gab es schönere Erfahrungen. Eine Portugiesin war für die Reinigungsarbeiten eingestellt und sie war so eine “Lichtbringerin”. Alles was sie reinigte, machte sie gründlich und liebevoll. Immer mit freundlichem Gesicht und offenen Augen. Auch unseren Bewohnern – Menschen ganz unterschiedlichen Alters und mit Behinderungen im seelischen sowie körperlichen Bereich begegnete sie voll Güte und mit mit Verantwortung. Solche Reinigungskräfte sind aber ein “Glücksfall”, es gibt sie nicht sehr oft.
    Würde ein anderes System, eine gesellschaftliche Aufwertung das ändern können? Wenn das Putzen einfach wieder dazu gehören würde in jedem Arbeitsbereich? Die körperlichen Anstrengungen und Bewegungen fehlen doch oft im Alltag eines jeden.
    Seit die Wirtschaftlichkeit erste Priorität hat, sind viele Aspekte verloren gegangen, z.B. Gründlichkeit, Menschlichkeit, breiter angelegte Eigenverantwortung, Vielseitigkeit, Verständnis und Rücksichtnahme und Liebe zur Tätigkeit.

    Interessant waren für mich auch die Ursprünge des Wortes ‘Putzen’… Und mir kam in Erinnerung, dass wir ein kleines Fenster mit Butzenscheiben in einer Nische unseres Wohnzimmer hatten. Jede der kleinen runden Scheiben sah aus wie der Fuß eines Weinglases. Sie waren in gelb und grün gehalten und machten ein wunderschönes Licht in der Nische.

    Ans Ende meiner Gedanken möchte ich einen Ausspruch stellen, der mich immer beeindruckt hat, weil er eine wichtige, eine große Wahrheit enthält:
    “Es ist weniger wichtig, was du tust, sondern wie du es tust”. 
    Die Wertekategorien sind irdisch; in der Ewigkeit wird unsere Verbundenheit mit allen und in allem, uns darüber hinausführen.
    So kann der Mensch alles veredeln, mag es sein, was es will. Wenn er dies bedenkt.

    Liebe Maria, so einige meiner ganz persönlichen Erfahrungen zu dem Thema Putzfrauen, oder eigentlich mehr noch zum Thema des Putzens. Beim Schreiben kommen so viele Gedanken und auch Fragen, aber ich will es für heute abschließen.

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